Was kann intelligente Produktion – und wie schwierig ist das?

Foto: Standortagentur Tirol, Montage

Produktionshallen, in denen Maschinen selbständig arbeiten und sich untereinander abstimmen. Fertigungsanlagen, die sich selbst warten, Logistiksysteme, die alles im Auge haben und Nachbestellungen automatisch abwickeln, Produkte, die mit den Maschinen, die sie produzieren, kommunizieren, und außerdem alles vernetzt mit Kunden und Zulieferern: fertig ist die intelligente Produktion in einer intelligenten Fabrik – auf den ersten Blick. Im Kern geht es bei intelligenter Produktion darum, Anlagen und Geräte zu vernetzen, deren Daten zu Erfassen und so zu verarbeiten, dass vorausschauend Abläufe in der Produktion gewartet und optimiert werden können. Letztendlich soll eine Fabrik selbst Entscheidungen treffen und sich organisieren, die Produktion effizienter werden, einzelne Produkte ebenso rentabel hergestellt werden können wie in der Massenproduktion, Kosten gesenkt und die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens gesteigert werden.

Auf Nummer sicher

Wenn die Produktion intelligent sein soll, dann müssen das auch die Daten sein, auf denen die automatisierte Produktion aufbaut, und dann muss von Beginn an auch eine intelligente (Daten-)Strategie vorliegen, welche umgesetzt werden kann. Hier spielt der „digitale Zwilling“ eine entscheidende Rolle, der die reale Welt mit der virtuellen verbindet. Auf dem Weg von der Fabrik zur Smart Factory empfiehlt sich das „Ausprobieren“ in einer Testfabrik. So eine Testfabrik steht in Salzburg, nämlich das Smart Factory Lab, und dieses kann über den DIH-West vom KMUs genutzt werden. Das Smart Factory Lab funktioniert wie ein Labor für intelligente Produktion und fokussiert gemeinsam mit Unternehmen insbesondere auf die Themenbereiche Digitale Zwillinge, Kollaborative Robotik, Modulare Fertigung, Kommunikation und Echtzeit, Edge Computing und Cloud Computing sowie Security und Privacy innerhalb der Produktion (siehe Glossar). In einer Zusammenstellung von klassischen und modernsten Produktionsmaschinen, die mit Sensorik und intelligenter Datenarchitektur und teilweise mit Cloud-Anwendungen verbunden sind, ist das Smart Factory Lab eine Spielwiese für Unternehmen. Zur Verfügung stehen neben Industrierobotern und einer Modellproduktion auch 3D-Druck und modulare Montageplätze zur Verfügung. So können Unternehmen im Smart Factory Lab einschätzen, welche Technologien sie wie einsetzen können. Nach gemeinsamer Analyse der eigenen Ist-Situation können wiederum gemeinsam Handlungsempfehlungen erarbeitet werden und ggf. in Projekten umgesetzt werden. Gerade auch bei Themen wie Security und Privacy (auch Schutz von IPR) können im Testumfeld Good Practices erlebbar gemacht werden und Hindernisse angesprochen werden.

Aller Anfang ist leicht

In der Praxis funktioniert diese Zusammenarbeit unkompliziert: In der Praxis kommen Firmen mit konkreten Problemen und erarbeiten gemeinsam mit den ExpertInnen des Smart Factory Labs Lösungen. Ebenso können Firmen an Workshops teilnehme, wie bestimmte Technologien, etwa ROS für mobile Roboter oder Edge Computing für digitale Zwillinge oder Kommunikation via OPC UA und dgl. konkret im eingenen Unternehmen sinnvoll und gewinnbringend eingesetzt werden können. Das Smart Factory Lab ist dabei die Plattform, in der Projekte und Workshops und Experimente bis hin zu Pilotversuchen in einer modernen Infrastruktur umgesetzt werden können. Wie man das genau einfädelt: Anruf oder Mail an einen der DIH-West-Partner oder direkt an die FH Salzburg genügt. Wir freuen uns auf Sie!

Glossar

Digitaler Zwilling: ein digitaler Zwilling ist ein virtuelles Modell z.B. eines Prozesses, eines Produkts oder einer Dienstleistung, welches die reale und virtuelle Welt verbindet. Daten aus der realen Maschine oder aus physikalischen Modellen werden verwendet, um den aktuellen Zustand eines Produktes bzw. Systems abzubilden. Einsatzgebiete von digitalen Zwillingen sind neben der Visualisierung als digitaler Schatten etwa die Vorausschau im Produktlebenszyklus sowie die Bewertung von Auswirkungen wie Verschleiß oder bei veränderter Konfiguration oder Zusammenstellung.

Kollaborative Robotik: Darunter versteht Industrieroboter, die in der Lage sind, in unmittelbarer Nähe von Menschen und mit diesen zusammen zu arbeiten. Das setzt Sicherheit voraus, also dass Roboter Menschen nicht verletzten. Dazu müssen Roboter Hindernisse erkennen. Berührt ein Roboter ein Hindernis, schaltet er sich selbsttätig aus. Dadurch sind Roboter nicht nur vielseitiger einsetzbar, sondern sond auch Schutzvorrichtungen wie etwa Zäune nicht mehr nötig.

Modulare Fertigung: Hier stehen die automatische Selbstkonfiguration und die Vernetzung von Anlagenteilen (Modulen) im Mittelpunkt. Einzelne Anlagenteile können flexibel ersetzt werden bzw. können den aktuellen Anforderungen angepasst werden. Die automatische Konfiguration der einzelnen Teile und nicht zuletzt der Summe dieser Teile ist ein bedeutender Beitrag zur Flexibilität und Anpassbarkeit in immer volatileren Anforderungsszenarien.

Kommunikation und Echtzeit: Die Anbindung von Maschinen und Sensoren an ein Kommunikationsnetzwerk ist eine Kernaufgabe von Industrie 4.0. Der Austausch von Informationen und deren Speicherung und Verarbeitung etwa für Visualisierung, Modellbildung und Berechnungen für vorausschauende Wartung oder bei digitalen Zwillingen ist oft an zeitliche Vorgaben gebunden. Zusätzlich haben sich insbesondere am Shopfloor in den vergangenen Jahrzenten hunderte verschiedene proprietäre Protokolle, Schnittstellen und Netzwerktopologien etabliert. Eine homogene Vernetzung in Echtzeit ist nur möglich, wenn entweder alle beteiligten Systeme dieselbe Sprache sprechen oder wenn eine zusätzliche Schicht die Kommunikationsaufgabe übernimmt.

Edge Computing und Cloud Computing: Die Vorteile von Cloud Computing und Modellen wie Infrastructure as a Service, Platform as a Service bzw. Software as a Service, also von skalierenden und flexiblen Infrastrukturen sind offensichtlich. Trotzdem sind einerseits Verfügbarkeit, Bandbreiten und der Schutz von geistigem Eigentum sowie die Kosten der aktuellen Cloud Lösungen und andererseits die immer leistungsfähigeren und kostengünstigeren Edge Computing Systeme und deren Einsatz zur Auswertung und Visualisierung von Daten vor Ort gute Gründe für hybride Daten- und Rechenstrategien. Im Smart Factory Lab werden in einem Demonstrator Edge Computing und Cloud Computing gezielt gegenübergestellt. Die Fragestellung, wann und was vor Ort und was extern verarbeitet werden soll bzw. muss und wie dies anhand von vergleichbaren Parametern beurteilt werden kann, steht dabei im Zentrum der Überlegungen.

Security und Privacy: Intelligente Produktion braucht intelligente Daten – und zwar viele Daten und unterschiedliche Daten. Die Herausforderung ist, Standard-IT-Security-Lösungen dermaßen weiterzuentwickeln, dass diese reibungslos in der Produktionstechnik genutzt werden können. Es ist beispielsweise keine Lösung, für den Austausch eines abgelaufenen Sicherheitszertifikats, die gesamten Produktionssysteme anzuhalten. Das Risiko eines fehlerhaften Wiederanlaufs der Produktion ist zu hoch.

Autor

Simon Kranzer

Simon Kranzer

FH Salzburg, Informationstechnik und System-Management
Smart Factory Lab Salzburg
Digitalisierung, Software und Security in der Produktion