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„Wir sollten künstliche Intelligenz als modernen Hammer begreifen“
Die fortschrittlichste Analysemethode, um aus Daten Informationen und Erkenntnisse abzuleiten, ist das maschinelle Lernen (ML). ML-Technologien erkennen Muster in Daten, können aus Fehlern lernen und sich selbst korrigieren (Canhoto und Clear 2020). ML-Anwendungen haben nicht nur Potenzial zur Kostensenkung und Produktivitätssteigerung, sondern auch zur zusätzlichen Wertschöpfung in Unternehmen (Lee und Shin 2020). Durch den hohen Reifegrad moderner ML-Anwendungen können Unternehmen über ein breites Domänenspektrum Mehrwert aus Daten und Informationen generieren (Jarrahi 2018).
Welche Potenziale entstehen für Unternehmen, wenn sie ihren Digitalisierungsgrad erhöhen und damit verbundene Data-Science– oder ML–Projekte umsetzen? In einer Studie von Accenture und der Industriellenvereinigung (Accenture & Industriellenvereinigung 2021) wurde der Zusammenhang zwischen Digitalisierung und der Entwicklung von Unternehmen untersucht. Im Untersuchungszeitraum zwischen 2016 und 2019 konnte beobachtet werden, dass ein höherer Grad der Digitalisierung zu einem stärkeren Umsatzwachstum und zu höherer Produktivität geführt hat. Der Umsatz von Unternehmen der Reifegradstufe[1] 2 ist im Durchschnitt (alle anderen Faktoren gleichbleibend) um 16,5% höher als bei den Unternehmen der Stufe 0. Pro Stufe wurde eine Umsatzsteigerung von etwa 8,3% erfasst (Accenture & Industriellenvereinigung 2021). Umsatz- und Produktionswachstum hängen also stark mit dem Stand der Digitalisierung eines Unternehmens zusammen. Die Studie zeigt auch zukünftig steigende Umsatzerwartungen bei digitalen Produkten. So prognostizieren die Autoren ein Umsatzwachstum von bis zu 12,5% bei digitalen Produkten entlang der Reifegradstufen innerhalb der nächsten fünf Jahre (Abbildung 1). Hierbei ist jedoch zu beachten, dass die Umsatzentwicklung stark vom Digitalisierungsgrad abhängt. Den höchsten Zuwachs dürfen stark digitalisierte Unternehmen bei rein digitalen Produkten erwarten, wohingegen Unternehmen mit einem geringen Digitalisierungsgrad vor allem in Bereichen mit teilweise digitalen Produkten wachsen.
Abbildung 1: Umsatzanteil und erwartetes Umsatzwachstum bei digitalen bzw. teilweise digitalen Produkten
Nicht nur ein stärkeres Umsatzwachstum und eine höhere Produktivität sprechen für Investitionen in Digitalisierung. Eine fortgeschrittene Digitalisierung führt auch zu einer höheren Krisenresilienz, was in Zeiten einer globalen Pandemie und den damit einhergehenden logistischen Herausforderungen besonders wertvoll ist (Accenture & Industriellenvereinigung 2021). Lieferketten sind ein gutes Beispiel dafür, wie Digitalisierung und Datenaustausch zu höherer Resilienz führen können. Multilieferantenstrategien und regionale Bezugsquellen reichen als organisatorische Maßnahmen in einer globalen Wirtschaft mit vielschichtigen Wirkungszusammenhängen nicht mehr aus. Transparente, breit gefächerte Informationen zum globalen Geschehen sowie schnelles Handeln bei sich abzeichnenden Krisen sind essenziell. Umsetzbar ist dies nur durch eine umfassende Digitalisierung aller Teilbereiche, übergreifende Vernetzung und Datenaustausch zwischen Unternehmen sowie eine konsequente Analyse und Vorhersage auf Basis von Echtzeitdaten. Wenn der Digitalisierungsgrad einer Lieferkette stark ausgeprägt ist, lassen sich durch digitale Frühwarnsysteme zukünftige Engpässe erkennen und proaktiv umgehen.
Eine weitere Studie von Accenture (Ghosh et al. 2020) geht auf den Zeitpunkt der getätigten Digitalisierungsinvestitionen ein. Laut der Studie ist das Umsatzwachstum bei Innovationsführern doppelt so hoch als bei Nachzüglern. Weiterhin haben Innovationsführer eine Umsatzrentabilität von 45% bei ihren Digitalisierungsinvestitionen (Abbildung 2). Innovationsführer investieren früher und mehr in Digitalisierung, sie adaptieren neue Technologien nicht nur, sondern generieren neue Systeme und Produkte und skalieren somit auch technologische Neuerungen.
Abbildung 2: Performance-Unterschiede bei Digitalisierungsinvestitionen
Digitalisierung und damit einhergehende Data-Science oder ML- Projekte sind also Umsatz- und Wachstumsbeschleuniger. Was sind aber die Herausforderungen, denen Unternehmen gegenüberstehen? Die Studie Künstliche Intelligenz in Österreichs Unternehmen von Fraunhofer Austria (Fuchs et al. 2022) geht unter anderem auf die Herausforderungen österreichischer Unternehmen in der Anwendung von Methoden der künstlichen Intelligenz (KI) ein.
Abbildung 3: Umfrage zu den Herausforderungen zur Anwendung Künstlicher Intelligenz in Österreichs Unternehmen
Die Mehrzahl der österreichischen Unternehmen und ganz besonders KMU stehen bei KI vor großen Herausforderungen. Vor allem fehlende Kompetenzen, hohe Investitionskosten, ein ungewisser Mehrwert und eine mangelhafte Datenbasis halten österreichische Unternehmen davon ab, sich intensiver mit KI zu beschäftigen (Abbildung 3). Durch den hohen Reifegrad vieler KI-Entwicklungsplattformen fällt es KMU aber immer leichter erste Erfahrungen zu sammeln. Durch Automated-Machine-Learning Anwendungen (AutoML), deren Potenzial bereits in „Wie KMU von AutoML profitieren können“ diskutiert wurde, wird Unternehmen die Umsetzung von KI-Projekten erleichtert. Weiterhin bietet AutoML auch Einsteigern mit einschlägigem Domänenwissen die Möglichkeit intelligente Applikationen zu entwickeln und im Unternehmen bereitzustellen. Generell sind Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit einschlägigem Domänenwissen bei KI-Projekten von großer Bedeutung. Sie kennen die Herausforderungen in ihrem Fachbereich und wissen somit am besten, wo der Schuh drückt und wo KI möglicherweise einen Mehrwert schaffen kann. Weiterhin sind sie mit den Prozessen vertraut, in denen die vorhandenen Daten generiert werden. Dieses Wissen ist bei der Konzeption von KI-Applikationen von enormem Wert.
Fraunhofer Austria begleitet Unternehmen im Rahmen des DIH West beim Einstieg in die Welt von Data Science sowie ML und unterstützt bei der systematischen Generierung und Priorisierung von Anwendungsfällen. Durch den Einsatz bewährter Methoden und Werkzeugen, wie etwa dem Data Canvas zur methodischen Erfassung von Daten und deren wirtschaftlicher Nutzbarkeit, sowie umfassender Erfahrung bei der Entwicklung von KI-Applikationen, kann Fraunhofer Austria bei der Entwicklung von Prototypen in jeder Phase optimal unterstützen. Mithilfe von Prototypen können Unternehmen nicht nur den potenziellen Mehrwert von Anwendungsfällen fundiert beurteilen, sondern gegebenenfalls auch die Implementierung in ihrer IT-Landschaft und in ihre Prozesse planen.
Abgesehen davon bietet Fraunhofer Austria im Rahmen des DIH West Schulungen mit Fokus auf Data Engineering und Data Science an. Im Rahmen der teilnehmeroffenen oder unternehmensspezifischen Veranstaltungen werden grundlegende Kenntnisse und Fähigkeiten vermittelt, die das Schaffen von Mehrwert aus Daten beschleunigen können.
[1] Stufe 0 (digital „blind“): Informationen liegen hauptsächlich papierbasiert vor
Stufe 1 (digital abbilden): Verwendung von IKT und digitale Datenspeicherung
Stufe 2 (digital agieren): Digitale Prozessoptimierung sowie Vorhersagen und Analysen
Stufe 3 (digital autonom): Digitale Geschäftsmodelle und automatisierte Entscheidungen
Autor
Fabian Lächler
fabian.laechler@fraunhofer.at
Accenture & Industriellenvereinigung (2021): Die digitale Dividende – Erfolgsfaktor Digitalisierung. Hg. v. Accenture & Industriellenvereinigung.
Canhoto, Ana Isabel; Clear, Fintan (2020): Artificial intelligence and machine learning as business tools: A framework for diagnosing value destruction potential. In: Business Horizons 63 (2), S. 183–193. DOI: 10.1016/j.bushor.2019.11.003.
Fuchs, B.; Schumacher, A.; Eggeling, E.; Schlund, S. (2022): Fraunhofer Austria KI-Studie: Künstliche Intelligenz in Österreichs Unternehmen. Hg. v. Fraunhofer Austria Research GmbH. Online verfügbar unter https://s3.eu-central-1.amazonaws.com/cdn.a3bau.at/public/2022-03/PDF_20220216_OTS0116_0.pdf.
Ghosh, Bhaskar; Burden, Adam; Wilson, James (2020): Full Value. Full Stop. How to scale innovation and achieve full value with Future Systems. Hg. v. Accenture.
Jarrahi, Mohammad Hossein (2018): Artificial intelligence and the future of work: Human-AI symbiosis in organizational decision making. In: Business Horizons 61 (4), S. 577–586. DOI: 10.1016/j.bushor.2018.03.007.
in Lee; Shin, Yong Jae (2020): Machine learning for enterprises: Applications, algorithm selection, and challenges. In: Business Horizons 63 (2), S. 157–170. DOI: 10.1016/j.bushor.2019.10.005.