Foto: Standortagentur Tirol
Der DIH West ist eine durch die FFG und die beteiligten Länder geförderte Initiative, die sich der Vernetzung von KMUs und Forschungseinrichtungen in Westösterreich verschrieben hat. Ziel ist es dabei, KMUs einen einfachen Zugang zur Infrastruktur und dem Know-How der Hochschulen und Forschungseinrichtungen in den Bereichen Produktion, Tourismus und Software-Engineering zu ermöglichen. Dies erfolgt einerseits durch verschiedene Angebote und Services wie etwa Workshops und andererseits durch spezialisierte Arbeitsgruppen.
Die Arbeitsgruppe Digital Health, Sports and Tourism beschäftigt sich im Rahmen des DIH West mit Themen der Digitalisierung von Dienstleistungen im Gesundheits- und Sportbereich sowie im Tourismus. Dieser Themenkomplex zeichnet sich durch großes Entwicklungspotential aus. Abseits von unzähligen Bauchmuskel-Apps und Ernährungstagebüchern entwickeln sich eine Vielzahl an neuen fundierten Möglichkeiten zur Integration digitaler Inhalte in Dienstleistungsangebote im Bereich Sport und Tourismus. Dies lässt sich auf verschiedene Entwicklungen zurückführen, so haben sich mittlerweile etwa Fitnesstracker oder Smartwatches in weiten Teilen der Bevölkerung durchgesetzt. Auch der Ausbau der Vernetzungsinfrastruktur spielt eine entscheidende Rolle als Motor für die Entwicklung mobiler Anwendungen. Dennoch befindet sich der betreffende Bereich immer noch in den Anfängen. Auch wenn die aktuellen technischen Entwicklungen sehr gut das Potential der Digitalisierung für den Bereich des Gesundheits- und Sporttourismus erkennen lassen und offene Fragestellungen auf technischer Basis gelöst werden könnten, fehlen fundierte Konzepte diese Situation in tatsächliche nutzenorientierte Leistungen von Unternehmen überzuführen.
Der grundlegenden Frage nach Nutzungsmöglichkeiten der angesprochenen Potentiale ging ein durch die DIH-Arbeitsgruppe für Digital Health, Sports and Tourism organisierter Expertenworkshop an der Standortagentur Tirol, mit ausgewählten Vertretern aus dem Bereich Gesundheits- und Sporttourismus nach. Den Startpunkt des Workshops stellte eine allgemeine Trendübersicht digitaler Themen von Dr. Marco Schweitzer (UMIT Tirol) dar. Anschließend beleuchteten drei Expertenvorträge das Thema Digitalisierung fokussiert aus Sicht der drei Themenbereiche. Gehalten wurden diese von Prof. Alexander Hörbst (MCI; Leiter der Arbeitsgruppe) zum Themengebiet Gesundheit, Prof. Mike Peters (Universität Innsbruck) zu Tourismus und Dr. Felix Wachholz (Universität Innsbruck) zu (e)Sports dar. Die Vorträge gingen auf wichtige Entwicklungen zur Digitalisierung in den jeweiligen Bereichen ein. Unter anderem wurden die Themen der Wearables (z.B. Patches oder Smart Soles), Smart Rooms oder auch der elektronischen Gesundheitsakten besprochen und ein entsprechendes Bild für deren Einsatz im Tourismus- und Sportbereich gezeichnet. Besonders interessant empfanden die TeilnehmerInnen auch die dargelegten Entwicklungen im Bereich eSports. So stellt dieser Bereich einen wichtigen, in Österreich noch weitgehend ungenutzten Wachstumsmarkt dar, der auch großes Potential für neue Kundengruppen beinhaltet. Aber auch die Themen zum Einsatz von Artifical Intelligence, Augmented oder Virtual Reality mit konkreteren Anwendungen wie z.B. virtuelle Wanderungen oder die Einblendung von Leistungsparametern beim Skilauf zur Erweiterung bestehender Angebote wurden interessiert aufgenommen.
Die anschließende Diskussion mit den Touristikern brachte ebenfalls interessante Bereiche zu Tage, hier zeigte sich, dass im Bereich Gesundheit vor allem die Steigerung der Lebensqualität und das Wohlbefinden im Vordergrund stehen und medizinische Aufenthalte als Reisemotive eher im Hintergrund stehen. Auch die gesamthafte Darstellung des Kundenkontakts unter Berücksichtigung der digitalen Kontaktpunkte stellt hier eine wesentliche Entwicklung der Digitalisierung dar.
In der eigentlichen Arbeitsphase des Workshops wurden die TeilnehmerInnen gemeinsam mit den ExpertInnen gebeten Erfahrungen, Herausforderungen und Visionen für jeden der drei Bereich zu erarbeiten. Nachfolgende zentrale Punkte haben sich dabei in den einzelnen Bereichen ergeben.
Kernaussagen Gesundheit
- Gesundheit im Sinne von medizinischer Gesundheit bzw. Krankheit scheint nicht das richtige Verkaufsargument um das Thema Gesundheit in der Breite im Tourismus zu verankern.
- Touristische Leistungen im Gesundheitsbereich dürfen nicht nur als singuläres Ereignis gedacht werden, sondern müssen vor und über den Urlaub hinaus in den Lifestyle passen und Nutzen stiften.
- Es ist fraglich, inwieweit einzelne kleinere Häuser in der Lage sind die benötigte Basisinfrastruktur umzusetzen, insofern wird eine zentrale, strategische Steuerung/Koordination wahrscheinlich als „enabling-Faktor“ notwendig sein. Damit Kooperation und integrierte Produkte/Dienstleistungen machbar sind, braucht es Basisinfrastruktur u.a. auch für den Datenaustausch.
- Generell kann das Thema Gesundheit nur in einer Kooperation (Gesundheitsregion etc.) erfolgreich umgesetzt werden.
- Es müssen neue Geschäftsmodelle entwickelt werden. Voraussetzung dafür ist, sich an neuen Kennzahlen zu orientieren, weg von Masse zu spezifischen Produkten mit zielgruppenspezifisch kommunizierbarem Nutzen/Wert.
- Der Nutzen muss für die Kunden greifbar gemacht werden und zwar nicht in einem klinischen Sinn, sondern positiv besetzt, z.B. in Form eines Wellbeing-Index.
- Wenn solche Konzepte aufgebaut werden, ist es wichtig, dass sie nicht als Verkaufsplattform konzipiert werden, sondern echten (inhaltlichen) Mehrwert für die Kunden bringen.
Kernaussagen (e)Sports
- Ebenso wie im Bereich Gesundheit ist es fraglich, inwieweit einzelne kleinere Häuser in der Lage sind, die benötigte Basisinfrastruktur für Gaming umzusetzen. Es müssen gemeinsame Anstrengungen (z.B. Internetanbindung) unternommen werden um eine Region als Gaming Location zu etablieren.
- Es gibt bereits Erfahrungen von Hotels, die letztlich „nur“ Konsolen in einem Raum zur Verfügung stellen. Effekt: Ganze Familien gehen nach den sportlichen Aktivitäten untertags dorthin, um zusammen digitale Erlebnisse zu teilen. Schon jetzt werden von Gästen Konsolen und teilweise der PC auch mit in den Urlaub genommen.
- Das Thema Gaming muss authentisch kommuniziert und gelebt werden. Marketinggetriebene Einzelaktionen werden keine Veränderung bringen. Dies erfordert neben der Infrastruktur auch die Schulung (u.a. inhaltlich aber auch hinsichtlich Stereotype) von MitarbeiterInnen.
- Nicht nur Gaming ist eine interessante Entwicklung, sondern auch der Bereich Gamification. Moderne Sportgeräte, Wearables etc. schaffen die Möglichkeit zur Quantifizierung von realen sportlichen Leistungen. Dies ermöglicht individuelle Angebote aber auch Möglichkeiten einer sozialen Erfahrung z.B. in der Vernetzung von Geräten oder Leistungen über Einrichtungsgrenzen hinweg.
- Besonders in Tirol ist die Natur ein großer Asset für den Tourismus und für viele Gäste einer der Gründe ihren Urlaub hier zu verbringen. Wenn man das mit Gaming oder E-Sport, aber auch mit Virtual und Augmented Reality verbindet, kann man eine Unique Experience kreieren, die es bis dato so noch nicht gibt.
- Gaming und eSport sind grundsätzlich wetterunabhängig, so können Veranstaltungen oder ein Unterhaltungsprogramm vielfältiger gestaltet werden
- Auch das Abhalten von Gaming Events kann als interessante Möglichkeit betrachtet werden, um das touristische Portfolio zu erweitern. So nehmen bereits jetzt tausende Personen vor Ort an solchen Events teil und Millionen weitere schauen live per Stream zu.
Kernaussagen Tourismus
- Um die Herausforderungen im Tourismus in Zukunft meistern zu können sind mehr geführte Kooperationen notwendig. Eine unüberschaubare Anzahl an digitalen Kommunikationskanälen und Angeboten bringt wenig Mehrwert und verwirrt eher als dass sie unterstützt.
- Digitale Entwicklungen sind mit der traditionellen Herangehensweise im Tourismus nur schwer greifbar bzw. in konkrete digitale Produkte umzusetzen. Mitunter fehlt auch das Vertrauen in den individuellen Nutzen für die Betriebe.
- Vielfach fehlen auch digitale Kompetenzen und Fähigkeiten der MitarbeiterInnen und Entscheider im Tourismus, um solche Entwicklungen voranzutreiben, zu begleiten oder auf den Tourismussektor umzulegen.
- Digitale Tools und Angebote können eine wesentliche Erleichterung für die tägliche Arbeit darstellen (bspw. zentrale Kommunikation, digitale Verfügbarkeit von Informationen, Auswertungen). Durch die erhöhte Sichtbarkeit lassen sich aber auch „neue“ Kundengruppen ansprechen.
- Im Zusammenhang mit dem Einzug der Digitalisierung müssen auch Zuständigkeiten adaptiert und erweitert werden (z.B: TVB)
- Es müssen zunehmend auch eigene digitale Ansätze etabliert werden, um nicht zunehmend in strategische Abhängigkeiten zu geraten (z.B. Buchungsplattformen). Dies setzt vor allem die digitale Eigenverantwortung und Möglichkeiten zur digitalen Entfaltung innerhalb des Betriebs voraus.
Das abschließende Fazit, bei dem alle TeilnehmerInnen nochmals gebeten wurden die wichtigsten Punkte für sich zusammenzufassen führte in der überwiegenden Zahl der Fälle zu einer übereinstimmenden Meinung. So ist es aus Sicht der TeilnehmerInnen unabdingbar, dass Anstrengungen der Digitalisierung in akkordierter Weise erfolgen müssen, etwa hinsichtlich der Etablierung von Basisinfrastruktur. Weiters müssen die bestehenden Strukturen bzw. die Zuständigkeiten innerhalb dieser Strukturen so angepasst werden, dass eine effiziente Digitalisierung überhaupt möglich wird. Und nicht zuletzt braucht es unabhängig von einer technischen Realisierung neue disruptive, touristische Konzepte (siehe z.B. eSports), die Digitalisierung zum Nutzen bestehender oder potentieller Gästegruppen von Anfang an beinhalten und nicht nur als Technologie betrachten.
Autoren
Marco Schweitzer
eHealth, healthcare IT, mobile health app development – UMIT Tirol
marco.schweitzer@umit.at
Alexander Hörbst
Medical & Health Technologies – MCI
alexander.hoerbst@mci.edu