Wie KMU von AutoML profitieren können

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Künstliche Intelligenz (KI) erstellt KI: Automated Machine Learning, kurz AutoML, erleichtert vor allem kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) den Einstieg in das Thema KI. Im Rahmen des DIH West unterstützt Fraunhofer Austria Unternehmen bei den ersten Schritten. Interessierte Unternehmen können sich an einer Studie zum Thema beteiligen.

KI, vor allem das Teilgebiet des maschinellen Lernens (ML), ist in aller Munde und wird nicht nur für Unternehmensbereiche wie die Produktion, die Logistik und das Marketing als Zukunftstechnologie gehandelt. Es gibt kaum einen Lebensbereich in den KI noch nicht Einzug gehalten hat. Daher ist es nicht verwunderlich, dass bereits im letzten Jahr die Technologie in über 60% der großen Unternehmen zum Einsatz kam[1] und es kaum noch Unternehmen gibt, die sich gar nicht mit den Möglichkeiten von KI für das eigene Tätigkeitsfeld auseinandersetzen. KMU hinken in der Anwendung von KI jedoch oft hinterher und nehmen so das Risiko in Kauf, von den großen Unternehmen abgehängt zu werden.

Eine wirtschaftliche Nutzung von KI ist für viele KMU nur schwer vorstellbar. Zu groß scheinen die Hürden, um die benötigte technische Infrastruktur aufzubauen, geeignete Fachkräfte auf dem umkämpften Arbeitsmarkt anzuwerben, ausreichend Daten vorzuhalten oder einen passenden Anwendungsfall zu identifizieren. Zudem ist das Erstellen von ML-Modellen, die den Kern von ML-Anwendungen darstellen, sehr zeitaufwändig: Daten müssen zugänglich gemacht und bereinigt, relevante Variablen identifiziert und ein geeigneter Algorithmus ausgewählt und an die jeweiligen Anforderungen angepasst werden. Das Vorgehen bei der Erstellung von ML-Modellen ist in der Praxis meist iterativ und getrieben von Versuch und Irrtum. Data Scientists verbringen daher viel Zeit mit Routineaufgaben wie dem Bereinigen von Daten oder dem Evaluieren von Modellen.

Bereits seit einigen Jahren sind unter der Bezeichnung AutoML Angebote auf dem Markt erhältlich, die versprechen den Einsatz von ML zu erleichtern. AutoML unterstützt Data Scientists, durch die Automatisierung von Aufgaben, die mit der Erstellung von ML-Anwendungen zusammenhängen. Im Wesentlichen wird bei AutoML KI eingesetzt, um KI zu erzeugen. Was futuristisch klingt, funktioniert heute schon erstaunlich gut. Konkrete Beispiele zeigen, dass AutoML nützlich sein kann, um Data Scientists zu entlasten. In einem Bruchteil der Zeit, die ein erfahrener Data Scientist benötigt, können mit AutoML auch weniger versierte Personen ML-Modelle erstellen.[2] AutoML ist somit ein Ansatz, der es etwa auch Domänenexperten, die vorher nur wenig mit Data Science oder ML zu tun hatten (z.B. Abteilungsleitern oder Prozessverantwortlichen), möglich macht, auf ihre spezifischen Anforderungen zugeschnittene Lösungen zu entwickeln.

In den letzten Jahren sind zahlreiche AutoML-Angebote auf den Markt gekommen, die das Potenzial haben, den Einstieg in das Thema KI für KMU zu erleichtern. Mit kommerziellen AutoML-Plattformen wie Google Cloud AutoML, DataRobot oder H2O Driverless AI auf der einen Seite und kostenlos nutzbaren open-source Implementierungen wie TPOT, AutoKeras oder auto-sklearn auf der anderen Seite ist ein breites Angebot verfügbar. Vor allem die kommerziellen Angebote bieten grafische Benutzeroberflächen, die die Erstellung von ML-Modellen auch Personen ohne Programmiererfahrung möglich machen.

Wissenschaft und Praxis verweisen auf drei vielversprechende Verwendungsszenarien für AutoML, die vor allem auch für KMU interessant sind:[3]

Im ersten Szenario kommt AutoML zur Unterstützung von erfahrenen Data Scientists zum Einsatz. AutoML übernimmt dabei arbeitsintensive und fehleranfällige Routineaufgaben und kann so die Entwicklung von neuen ML-Modellen beschleunigen. AutoML hilft Ressourcen einzusparen, die dann für andere Aufgaben zur Verfügung stehen.

Im zweiten Szenario wird AutoML für die effiziente Entwicklung einfacher ML-Prototypen verwendet. Gerade KMU, die geeignete Anwendungsfälle erst identifizieren müssen und in der Regel nicht über erfahrene Data Scientists verfügen, können von schnell verfügbaren Prototypen profitieren. AutoML ermöglicht die Evaluierung des Potenzials von Anwendungsfällen mit überschaubarem Aufwand und hilft damit Investitionsrisiken zu reduzieren.

Beim dritten Szenario liegt der Fokus auf der Befähigung von Personen, die über umfangreiches Domänenwissen verfügen, aber keine besonderen Data-Science- oder ML-Kenntnisse haben. Durch AutoML wird es ihnen möglich, ohne lange Einarbeitungszeit selbst ML-Modelle zu erstellen. Vor allem KMU profitieren davon, dass kein zusätzliches Personal notwendig ist und die Lösungen sehr genau auf die spezifischen Anforderungen des Unternehmens zugeschnitten sind.

Ein eindrucksvolles Beispiel für die erfolgreiche Anwendung von AutoML liefert ein amerikanisches KMU[4], das mit gerade einmal 40 Mitarbeitern Sensormodule für verschiedene Anwendungen entwickelt und produziert. Das Unternehmen verwendet AutoML, um die Verlässlichkeit seiner Module unter verschiedenen Umweltbedingungen zu testen und die Module zu kalibrieren. Durch AutoML ist es dem Unternehmen gelungen die Effizienz der Produktentwicklung zu steigern, da arbeitsintensive und fehleranfällige Routineaufgaben automatisiert wurden.

In der Praxis spielt AutoML derzeit noch eine untergeordnete Rolle. Die Zahl dokumentierter Anwendungsbeispiele ist überschaubar. Die Zurückhaltung ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass vielen Unternehmen nicht klar ist, unter welchen Voraussetzungen sich der Einsatz von AutoML wirklich lohnt und wie beim Sammeln von ersten Erfahrungen vorgegangen werden soll. Die Tatsache, dass AutoML in der Theorie genau dann besonders vielversprechend ist, wenn keine umfassende Data-Science-Expertise vorhanden ist, führt in der Praxis häufig zu Startschwierigkeiten.

Das Team von Fraunhofer Austria setzt genau hier an. Unternehmen werden nicht nur bei der Entscheidung für oder gegen AutoML unterstützt, sondern gegebenenfalls auch beim Sammeln erster Erfahrungen mit dem Ansatz begleitet. In einer Studie wird derzeit versucht ein tieferes Verständnis für die Eignung der am Markt verfügbaren AutoML-Angebote für die spezifischen Anforderungen von KMU im produzierenden Gewerbe zu erlangen. Interessierte Unternehmen sind eingeladen an der Studie teilzunehmen, die im Juni durchgeführt wird und deren Ergebnisse in eine am Management Center Innsbruck verfasste Masterarbeit einfließen.

Die Studie bietet KMU einen Rahmen, um sich vertieft mit Möglichkeiten von KI für das eigene Tätigkeitsfeld auseinanderzusetzen und mögliche Probleme und geeignete Lösungsansätze zu diskutieren. Unternehmen, die an der Studie teilnehmen möchten, werden gebeten, sich an die Autoren des Beitrags zu wenden. Im Herbst werden die Ergebnisse der Studie und ein AutoML-Leitfaden für KMU im Rahmen eines DIH-West-Workshops vorgestellt.

[1] Laurence Goasduff (2019): 3 Barriers to AI Adoption, Gartner, https://www.gartner.com/smarterwithgartner/3-barriers-to-ai-adoption

[2] Thomas Swearingen et al. (2017): ATM: A distributed, collaborative, scalable system for automated machine learning, Proceedings of the 2017 IEEE International Conference on Big Data (Big Data), S. 151-162, https://ieeexplore.ieee.org/document/8257923, Lukas Tuggener et al. (2019): Automated Machine Learning in Practice: State of the Art and Recent Results, Proceedings of the 6th Swiss Conference on Data Science (SDS), S. 31-36, https://ieeexplore.ieee.org/abstract/document/8789865 und  Marc-André Zöller & Marco F. Huber (2021), Benchmark and Survey of Automated Machine Learning Frameworks, Journal of Artificial Intelligence Research, 70, S. 409-472, https://www.jair.org/index.php/jair/article/view/11854

[3] Anamaria Crisan & Brittany Fiore-Gartland  (2021): Fits and Starts: Enterprise Use of AutoML and the Role of Humans in the Loop, Proceedings of the 2021 CHI Conference on Human Factors in Computing Systems, https://dl.acm.org/doi/10.1145/3411764.3445775 und Bahador Khaleghi (2020): Why Enterprise Machine Learning is struggling and how AutoML can help, Medium, https://medium.com/swlh/why-enterprise-machine-learning-is-struggling-and-how-automl-can-help-8ac03023bf01

[4] NevadaNano, Machine Learning, https://nevadanano.com/machine-learning/

Autoren

Stephan Olsowski

Stephan Olsowski

Fraunhofer Innovationszentrum »Digitale Transformation der Industrie«, Fraunhofer Austria Research GmbH
stephan.olsowski@fraunhofer.at

Daniel Bachlechner

Daniel Bachlechner

Fraunhofer Innovationszentrum »Digitale Transformation der Industrie«, Fraunhofer Austria Research GmbH
daniel.bachlechner@fraunhofer.at