Fragestellung trifft Analysemethode

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Unternehmen stehen heute unter starkem Wettbewerbsdruck. Viele von ihnen versuchen neue Wege zu beschreiten, um Wettbewerbsvorteile zu erhalten. Die Werkzeuge und Methoden der Digitalisierung versprechen hier neue Möglichkeiten zu schaffen. Neben der Optimierung von Arbeitsabläufen und der teilweisen Automatisierung von manuellen Tätigkeiten besticht die Digitalisierung aber noch durch eine weitere Eigenschaft: Die großflächige Verfügbarkeit von Spuren menschlichen Handelns in Form von Daten. Hieraus können – so erhoffen es sich zumindest viele Unternehmen – tiefe Einblicke in komplexe Systeme generiert werden, Einblicke die früher so nicht möglich waren.

Auf den Spuren der Gäste im Tourismus

In einem gemeinsamen Forschungsprojekt mit Vorarlberg Tourismus und Bregenzerwald Tourismus untersuchten Data Scientists der FH Kufstein Tirol die Nutzung von Touristischen Attraktionen in der Tourismusregion Vorarlberg. Die Forscher*innen nutzten dazu die anonymisierten Daten, die beim Eintritt in Liftanlagen, Schwimmbädern, Museen und dergleichen erzeugt werden. Mit Hilfe der Eintrittszeitpunkte konnten daraus Bewegungsabläufe rekonstruiert und nach Mustern durchsucht werden. So war es zum Beispiel möglich zu ermitteln, welche Attraktionen häufig in bestimmten Abfolgen besucht werden. Gleichzeitig konnten auch Nutzer*innentypen beschrieben werden, die bei ihrer Nutzung immer wieder bestimmte Muster zeigen. Abbildung 1 zeigt die Bewegung von Besucher*innen zwischen Attraktionen (hier nummeriert). Häufig genutzte Verbindungen sind dabei durch eine höhere Linienstärke dargestellt. Bewegungen gleicher Nutzer*innentypen sind außerdem in derselben Farbe dargestellt.

Abbildung 1: Bewegungen von Tourist*innen zwischen Attraktionen

Dieses Wissen hilft Touristikern bei der Gestaltung von Marketingkampagnen, der Positionierung von Attraktionen und der Lenkung von Touristenströmen. Darüber hinaus ermöglicht es ihnen, ein tieferes Verständnis für die Besucher*innen der Region zu entwickeln und so tiefere Kundenbeziehungen aufzubauen.

Frage und Analyse – Auf die richtige Strategie kommt es an

Das oben genannte Beispiel zeigt, dass mit Hilfe von Daten durchaus interessante Einblicke in sonst verborgene Bereiche erhascht werden können. Dabei kommt es aber vor allem auf die richtige Abstimmung zwischen Fragestellung und Analysemethode an. Häufig sitzen Unternehmen auf großen Datenbergen, die sie über viele Jahre hinweg gesammelt haben. Da Speicherplatz heute kostengünstig zu haben ist, können Daten in großer Zahl gespeichert werden, ohne schon im Moment der Speicherung eine konkrete Fragestellung im Kopf zu haben. Unternehmen neigen deshalb häufig dazu, so viel wie möglich zu speichern – “um die Analyse kümmern wir uns später”.

Doch nicht alle Daten eignen sich dazu, jede Fragestellung zu beantworten. Viele der gespeicherten Daten wurden primär für Dokumentationszwecke, zum Erstellen von Berichten oder zur Durchführung von Prozessschritten erhoben. Sie bilden deshalb jene Aspekte ab, die eben für genau diese Tätigkeiten wichtig waren. Für die Analyse sind aber unter Umständen andere Dinge relevant.

Die Erfahrung aus vergangenen Analyseprojekten zeigt hier, dass es sich lohnt, die Fragestellung für ein Analyseprojekt sorgfälltig auszugestalten und mit der Analysestrategie abzustimmen. Nur wenn Fragestellung, Daten und Methodik zusammenpassen, hat ein Analyseprojekt das Potential nützliche Ergebnisse zu liefern.

Häufig, so zeigt die Praxis vergangener Projekte, ist das aber nicht sichergestellt. Da in vielen Fällen die Datensammlung vor der späteren Fragestellung erfolgt, ist nicht gewährleistet, dass jene Daten verfügbar sind, die für die Beantwortung der Frage erforderlich wären.

Im Digital Innovation Hub Projekt beraten Digitalisierungs*expertinnen und Data Scientists der FH Kufstein Tirol zusammen mit anderen wissenschaftlichen Partnern Unternehmen im Hinblick auf deren Arbeit mit Daten. In den Workshops der Arbeitsgruppe Softwarebasierte Innovation etwa können gemeinsam Fragestellungen und Analysestrategien diskutiert, oder auch Daten auf ihre Eignung für bestimmte Fragestellungen hin geprüft werden. Dadurch können Unternehmen neue Perspektiven in der Arbeit mit Daten und digitalen Werkzeugen entwickeln, um so den nächsten Schritt in der Digitalisierung zu machen.

Prof. (FH) Dr. Michael Kohlegger

Prof. (FH) Dr. Michael Kohlegger

ist inhaltlicher Leiter des Masterstudiengangs Data Science & Intelligent Analytics an der FH Kufstein Tirol und unterreichtet darüber hinaus in den Bereichen Web Business & Technology und Web Communication & Information Systems. In seiner Arbeit beschäftigt er sich mit der Speicherung und Analyse von Daten. Dabei steht eine ganzheitliche Verarbeitung – von der Datenerhebung bis zur Problemlösung – im Fokus seiner Betrachtung. Neben seiner Lehrtätigkeit an der FH Kufstein Tirol und der Universität Innsbruck, berät er Unternehmen bei der Umsetzung von datengetrieben Projekten. Nach Studium und Promotion an der Universität Innsbruck im Bereich Wirtschaftsinformatik war er mehrere Jahre in der Wirtschaft tätig, bevor er dem Ruf an die FH Kufstein Tirol folgte. Seit 2017 ist er stellvertretender Studiengangsleiter des Bachelorstudiengangs Web Business & Technology und der Masterstudiengänge Web Communication & Information Systems und Data Science & Intelligent Analytics.

michael.kohlegger@fh-kufstein.ac.at