Data Science, Analytics und Cybersecurity in der Produktion

Bild: Unsplash, Fabian Grohs

Digital Factory Vorarlberg

Industrieanlagen der Zukunft treffen Entscheidungen aufgrund der Auswertung von Daten. Maschinen, Steuerungs- und Planungssysteme sind hochgradig vernetzt, stimmen sich untereinander ab und tauschen selbständig wichtige Informationen aus. Simulationssysteme (Digitale Zwillinge) sagen Betriebszustände voraus und können zur Optimierung der Anlagen und Kennzahlen verwendet werden. Selbstlernende Systeme überwachen Anlagen und Kommunikation und erkennen Angriffe auf Infrastruktur und Daten aus dem Internet.

Es scheint, dass die Informationstechnik der wichtigste und entscheidendste Faktor für erfolgreiche Unternehmen geworden ist. Nicht ganz, nur fast. Auch in der digitalisierten Welt, in der alles durch intelligente Softwaresysteme erledigt wird, spielt immer noch der Mensch die allerwichtigste Rolle. Die Digitalisierung bietet neue Werkzeuge, die durch den Menschen angepasst, eingesetzt, weiterentwickelt und überwacht werden müssen. Die Komplexität, die enorme Themenvielfalt und der Mangel an personellen Ressourcen stellt kleine wie große Unternehmen jedoch vor große Herausforderungen bei der Entwicklung und Einführung digitaler Strategien. Hier helfen neue Forschungszentren wie z.B. die Digital Factory Vorarlberg oder Kompetenzcluster wie der DIH-West.

Die Digital Factory Vorarlberg ist eine an der FH Vorarlberg 2018 gegründete Forschungsgruppe, die sich mit den verschiedenen Themenstellungen der Digitalisierung in KMUs und Industriebetrieben beschäftigt. In gemeinsamen Projekten werden digitale Methoden entwickelt, erprobt oder als Show-Cases gezeigt. Die Einsatzberieche erstrecken sich von IoT und der Vernetzung von Maschinen und Anlagen bis zur Cloud-basierten Fabriks- und Fertigungssteuerung, von Datenanalysen für Statusreporting (Dashboards) bis zur Verwendung von künstlicher Intelligenz für vorausschauende Wartung, Anomaliedetektion oder Produktions- und Qualitätsoptimierung, die Automatisierung von Produktionsabläufen oder der Einsatz kollaborierender Roboter, die Entwicklungen und Verwendung von digitalen Zwillingen, die Unterstützung von Arbeitern und Trainees durch Virtual und Augmented Reality oder den Schutz der Produktionsanlagen vor Cyberattacken.

Als wichtigster Aspekt der Digitalisierung ist jedoch die Ausbildung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Einsatz und in der Anpassung der neuen Technologien an die betrieblichen Erfordernisse zu sehen. In der Forschungs- und Lernfabrik der Digital Factory könnend daher ein Großteil der in realen Betrieben auftretenden Themenstellungen an realen Systemen hautnah erlebt und weiterentwickelt werden. Die wesentlichen Elemente einer Güterproduktion (CNC-Fertigung, kollaborative und manuelle Montage, Intralogistik, intelligente Lagerung) sind im Labor aufgebaut und werden zur Herstellung von Spielzeugprodukten verwendet. Eine optimale und praxisnahe Ausbildung von Studierenden und die Weiterbildung von Firmenmitarbeitern kann damit gewährleistet werden. Darüber hinaus werden Referenzimplementierungen und Lösungsvorschläge für verschiedene Teilaspekte der Digitalisierung gezeigt.

 

Ein interessanter Anwendungsfall, für den derzeit an der Digital Factory verschiedene Entwicklungen laufen, ist z.B. die Vernetzung von Produktionsressourcen über die Cloud. Produktionskonzepte der Zukunft stützen sich immer mehr auf intelligente Serviceplattformen, die Fertigungskapazitäten an unterschiedlichen Standorten digital vernetzen, bündeln und auf globalen Märkten zur Verfügung stellen. Dafür entwickelt die Digital Factory eine Service orientierte Cloud-Plattform welche die örtlich verteilten Produktionsressourcen mittels eines in der Cloud angesiedelten Steuerungssystems zu einer größeren, virtuellen Produktionseinheit für on-demand Services verbindet.
Hierfür ist es notwendig, Wissen zu erfassen, das eine Abbildung und Modellierung der Ressourcen und Prozesse ermöglicht. Die Architektur des Systems ist daher entsprechend komplex und beinhaltet die Koordinierung innerhalb jedes Produktionsstandorts von der Feld- bis zur MES-Ebene sowie die übergeordnete Koordinierung zwischen den Standorten in der Cloud. Weiters werden Mechanismen zur dynamischen Erstellung von Produktionsplänen auf Basis der Produktionssystemkapazitäten und Fähigkeiten entwickelt. Entsprechende Daten werden aus dem Feld gewonnen und analysiert. Diese Daten werden den Planungsalgorithmen zur Verfügung gestellt, um anschließend die entsprechenden, in Services gekapselten Fähigkeiten der Produktionssysteme aufrufen zu können.

Datenanalyse und maschinelles Lernen

Das Sammeln und Auswerten der Daten von Produkten, Systemen und Maschinen ist einer der wichtigsten Faktoren der Digitalen Transformation und entscheidend für den Erfolg moderner Geschäftskonzepte. Mit Hilfe der datengesteuerten Entscheidungsfindung und Prozessoptimierung können Zusammenhänge und Ursachen ermittelt und zukünftige Ereignisse vorhergesagt werden, oder es können Prozessparameter gezielt beeinflusst werden um ein gewünschtes Verhalten zu erreichen. Typische Fragen, die durch Datenanalyse beantwortet werden können, sind unter anderem:

  • Wie viel Bedarf werde ich zukünftig haben?
  • Wie kann ich meine Prozesse optimal planen?
  • Wie kann ich meine Produktion überwachen?
  • Wie kann ich Ausschuss und Anomalien frühzeitig und automatisch erkennen?
  • Wie groß ist die Standzeit bis zur nächsten Wartung?
  • Welche Fehler werden als nächstes auftreten?
  • Wie muss ich die Parameter verändern, damit meine Maschine optimal läuft?

Zur Beantwortung dieser Fragen werden sehr unterschiedliche Verfahren verwendet. Die Qualität, Vollständigkeit und Konsistenz der gesammelten Daten ist ausschlaggebend für die erfolgreiche Anwendung der Datenanalyse. Der Einsatz konkreter Methoden ist stark vom jeweiligen Anwendungsfall und den vorliegenden Daten abhängig. Die eingesetzte Palette reicht von einfachen Verfahren, wie z.B. linearen Regressionsalgorithmen, bis zu komplexen Methoden des maschinellen Lernens, wie z.B. Neuronalen Netzen oder Deep Learning.

Bisher von uns durchgeführte Projekte aus den Bereichen Zuverlässigkeitsanalyse, Bedarfsprognose, Prozessoptimierung, Produktionsüberwachung, Anomalieerkennung, oder der vorausschauenden Wartung haben gezeigt, dass die Qualität der gesammelten Daten und die frühzeitige Einbindung sowohl von Datenanalysespezialistinnen, als auch Prozessspezialisten entscheidend für die erfolgreiche Durchführung von Datenanalyseprojekten sind.

Mit Workshops und Arbeitsgruppen unterstützen die Experten des DIH-West Betriebe und KMU bei der Planung, Einführung oder Umsetzung von Projekten im Bereich der Datenanalyse oder künstlichen Intelligenz.

Cyber Security und die Cyberrange

Durch die weit fortgeschrittene Digitalisierung der Geschäftsprozesse, der Produktion oder unseres Privatlebens haben auch die Angriffe auf digitale Infrastrukturen und digitale Werte ein hohes Maß an Professionalität erreicht. Erfolgreiche Attacken können nicht nur den Verlust von Daten und sensiblen Informationen (Betriebsgeheimnissen) oder monetäre Verluste (Erpressung durch Datenverschlüsselung) zur Folge haben, sondern können mitunter zu lange andauernden Betriebsstillständen führen. Der Schutz und die Abwehr von Cyberangriffen ist somit oberste Priorität geworden. Neben dem Einsatz von selbstlernenden Systemen zur Überwachung des Datenverkehrs und der Erkennung von Angriffen, ist die Sensibilisierung der Mitarbeiter und die Schulung des richtigen Verhaltens zur Vermeidung und Abwehr von Cyberangriffen ein wichtiger Baustein jeder Digitalisierungsstrategie.

Für eine optimale Ausbildung und Training werden Cyberranges verwendet. Diese sind eine Art Übungsgelände, in dem verschiedene Konfigurationen aus IT- und OT-Systemen nachgebildet und realistischen Cyberangriffen ausgesetzt werden. Bedrohungen, Angriffs- und Abwehrszenarien können somit gefahrlos simuliert und getestet werden. Das Training in der Cyberrange vermittelt den Mitarbeitern ein grundlegendes Verständnis von potentieller Angriffsvektoren und -techniken in modernen Systemen anhand definierter Trainings- und Übungsszenarien. Neben den technischen Aspekten spielen dabei vor allem auch Awarenessfaktoren eine entscheidende Rolle. Darüber hinaus können in der Cyberrange auch die technischen Systeme zur Abwehr von Cyberangriffen trainiert, erprobt und verbessert werden, ohne die realen Anlagen einer Gefahr auszusetzen.

Die Digital Factory der FH Vorarlberg errichtet derzeit eine Cyberrange, die ab 2021 ihren Betrieb aufnehmen wird. Die Cyberrange wird interessierten Teilnehmern im Rahmen von Seminaren im DIH-West zur Verfügung stehen.

Autor

Prof. (FH) DI Dr. Robert Merz

Prof. (FH) DI Dr. Robert Merz

Leiter Digital Factory Vorarlberg